Die Lustige Person

Frank Fischer im Kostüm neben dem Lauenburger Rufer

Jedes Jahr Anfang Januar geht eine freudige Erwartung durch die Stadt Lauenburg, denn es ist wieder Schipperhöge. Vor allem die Kinder, aber auch die Lauenburger, die als Kind die Schipperhöge und die „Lustige Person“ miterlebt haben, sind schon ganz aufgeregt. Die im Volksmund auch „Hans Wurst“ genannte „Lustige Person“ macht Ihren Rundgang durch die Stadt und überbringt Neujahrsgrüße an die Schifferbrüder und Geschäftsleute in der Stadt. Dabei gibt es an jedem Haus, an dem angehalten, auch Süßigkeiten wie im Karneval, so dass immer eine große Kinderschar dabei ist. Mit viel „Immer Lustig!“ – und als Antwort der Kinder: „Hurra!“ – Geschrei ist das ein Mordsspaß, der allen offensteht. Die Schule unterstützt den Erhalt dieser Tradition. Dabei wird er durch eine Gruppe Clowns begleitet, die für die nötige Ordnung sorgen.

Die Lustige Person mit seinen Clownies

Die „Lustige Person“ ist aber nur das bekannteste Aushängeschild der Lauenburger Schifferbrüderschaft von 1635. Deren Sinn besteht seit der Gründung darin, sich um die verstorbenen Schifferbrüder zu kümmern. Zur Gründungszeit um 1635 grassierte die Pest, die über die Jahrhunderte wiederholt auftrat. Es stellte zur damaligen Zeit ein Problem dar, sich um Pestopfer zu kümmern, da man sich ja selbst in Gefahr brachte. Außerdem sind häufig ganze Familien betroffen gewesen, so dass eine gegenseitige Unterstützung der Hinterbliebenen ebenfalls eine Aufgabe war, der sich die Schifferbrüder stellten. Die Schifferbrüderschaft kümmerte sich um die Bestattung und die Hinterbliebenen. Diese gegenseitige Hilfe hat sich im Laufe der Geschichte immer den jeweiligen Verhältnissen angepasst, ist aber bis heute dem Sinn nach erhalten geblieben. Die Schifferbrüder tragen Ihre Mitglieder und deren Ehefrauen zu Grabe und es ist wohl auch diesem ernsten Hintergrund zu verdanken, dass sich dieser Zusammenschluss mit ihren Tugenden über fast 4 Jahrhunderte erhalten hat. Das in der Brüderschaft nur Männer aufgenommen werden, entspricht zweifellos nicht den heutigen Maßstäben und wird auch diskutiert. Bisher hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass es sehr viel wertvoller ist, den freiwilligen Zusammenschluss in der Art zu erhalten, wie es seit Jahrhunderten der Fall ist. Es ist ohnehin schon schwierig genug, die alten Werte in die neue Zeit zu übertragen. Auch wenn es sich dabei um vollkommen zeitlose Tugenden wie Respekt, Umgang miteinander, Unterstützung und Sachlichkeit handelt. Eine wesentliche Leitlinie für Diskussionen lautet: Die Person ist nichts, die Sache alles.

Woher kommt nun die „Lustige Person“, die sich so gar nicht in den ernsten Hintergrund einfügen will? Es ist nur bekannt, das der Anzug im Jahre 1765?? bereits vorhanden war, was sich an den aufgenähten Jahreszahlen ablesen lässt. Ob es heidnische Bräuche waren oder ob es eine Narrenfigur abgeleitet aus umherziehenden Gauklern war, ist dagegen nur Spekulation. Fest steht, dass seitdem dieser Zug durch Lauenburg alljährlich stattfindet, immer schon die Kinder – insbesondere die armen Kinder – im Mittelpunkt standen. In früheren Zeiten wurden natürlich auch andere Dinge als Bonbons und heutige Süßigkeiten verteilt, ein erhaltener alter und typisch plattdeutscher Spruch lautet: „Und dann smit he in de Grappel, de Frunslüd jümmer verfulten Appel“.

Das Fest der Schipperhöge (von sich „högen“, dass heißt, sich zu freuen) dauert zwei Tage und beginnt an beiden Tagen mit dem Zug der „Lustige Person“ durch die Stadt. Gleichzeitig findet am ersten Tag vormittags das Einzahlen der Beiträge „vor geöffneter Lade“ statt. Diese Lade stammt aus dem Jahr 1689?? und ist für die Zeit ihrer Entstehung durchaus typisch. Sie verfügt über ein Schloss mit drei Schlüsseln, welches auch heute noch nur zu den offiziellen Anlässen geöffnet wird. Es ist auch heute nur möglich, seinen Beitrag persönlich zu entrichten und dies auch nur zur festgelegten Zeit. Interessanterweise kommt es trotz fehlender Einzugsermächtigungen oder Daueraufträgen nur sehr selten zu fehlenden Beitragszahlungen.

Auch das Vergnügen der Schifferbrüder kommt nicht zu kurz, denn es findet an beiden Tagen ein Festball statt, auf dem sowohl alte Schiffertänze als auch Tanzmusik den Rahmen bieten. Diese sind nur für die Schifferbrüder und geladenen Gäste zugänglich. Es wird viel getanzt, aber es gelten auch strenge Regeln im Umgang. Dadurch ergibt sich eine tolle Atmosphäre, die sich an dieser Stelle nicht weiter beschreiben lässt. Erwähnenswert wäre noch, dass die Lustige Person an beiden Festtagen den Ball eröffnet und beim Willkommentrinken anwesend ist.Für die Öffentlichkeit findet am zweiten Tag ein großer Festumzug durch die Lauenburg statt, wobei die malerische Unterstadt einen wirklich sehenswerten und passenden Rahmen bildet. Die „Lustige Person“ führt den Umzug an, gefolgt von Schiffsmodellen,  zwei Musikzügen und den Ehrengästen und Schifferbrüdern. Dabei werden drei der prächtigen Fahnen mit jeweils zeitgenössischen Schiffmotiven mitgeführt. Die älteste Fahne stammt aus dem Jahr 1811, die jüngste aus dem Jahr 1985. Diese Fahnen sind je nach wirtschaftlicher Lage unterschiedliche prächtig ausgeführt. Die wertvollste stammt aus dem Jahr 1894 und würde heute nur für den Preis eines Oberklassewagens hergestellt werden können. Die einfachste Fahne besteht in der Basis nur aus einem einfachen Tuch mit einem aufgenähten Motiv, ebenfalls aus einfachem Tuch.

Den Abschluss bildet der Kindertanz auf dem Festsaal am Samstag der Höge, der sich an den Umzug anschließt und auf dem die begleitenden Clownsfiguren mit den Kindern noch einmal richtig für Stimmung sorgen.

Nach dem Fest kehrt dann wieder Ruhe ein, bis zum folgenden Jahr. Die Schifferbrüder stehen zusammen, diskutieren immer wieder über den Erhalt und die Regeln. Dies in einer Ernsthaftigkeit und mit Leidenschaft, obwohl sie nur diese eine Zusammenkunft haben, und jeder nach der  Schipperhöge in sein normales Leben zurückkehrt. Und es sind – obwohl es nicht mehr nur Schiffer sind – alle wieder da, wenn es heißt: Die „Lustige Person“ kommt.

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